Wenn die Worte fehlen - Leben mit einer Aphasie

Aphasie

Aphasie – was ist das?

Die Folgen eines Schlaganfalls sind oft gravierend und verändern das Leben der Betroffenen von einem Augenblick zum anderen.

Aphasie ist eine Sprachstörung, die meist nach einem Schlaganfall aber auch nach Hirnschädigung als Unfallfolge oder Hirntumoren auftreten kann. Die Betroffenen können meist Selbstverständliches nicht mehr: einen Satz bilden, vertraute Namen nennen, ein Telefonat entgegennehmen, Bedürfnisse äußern. 

Das klinische Bild der Aphasie

Aphasie – ein weitreichender Begriff, der umworbene Störungen der Sprache umfasst. Dabei gleicht eine Aphasieform jedoch nicht jeder Anderen – es zeigen sich große individuelle Unterschiede bezüglich der sprachlichen Symptomatik. Man hat immer wieder versucht die Vielfalt der aphasischen Störungen zu klassifizieren.

Einer der bekanntesten Klassifikationen stammt aus dem 19. Jahrhundert und teilt die Aphasien in „motorische Aphasien“ (Störung des Sprechens) und „sensorische Aphasien“ (Störung des Verstehens) ein. Diese einfache Auffassung wurde bis dato überholt, da die Verankerung der Sprache im Gehirn so komplex ist, dass zwischen der Schädigung einer bestimmten Hirnregion und einer gestörten Sprachmodalität keine geradlinige Verbindung angenommen werden kann. Durch eine Hirnschädigung ergeben sich oftmals viele verschiedene individuelle Kombinationen von Störungen, die sich nicht einfach in diese zwei „Schubladen“ (motorisch vs. sensorisch) einordnen lassen. Trotz aller individuellen Abweichungen kann man aber dennoch bei manchen Störungsbildern gewisse Gemeinsamkeiten erkennen und beschreiben. Unter Einbezug der sprachlichen Symptomatik und dem Schädigungsort im Gehirn unterscheidet man dabei bei Aphasien die folgenden vier Syndrome:

  • Globale Aphasie,
  • Broca-Aphasie,
  • Wernicke-Aphasie,
  • Amnestische Aphasie.

Allerdings ist diese Einteilung in der Theorie oftmals einfacher als im klinischen Alltag. Nicht alle durch einen Schlaganfall hervorgerufenen Aphasien passen genau in dieses Schema. Dennoch erfasst diese Einteilung die überwiegende Zahl an Aphasien und genügt daher für eine grobe und schnelle Charakterisierung eines Falles. Im Folgenden wird ein Überblick über die charakteristischen Merkmale der jeweiligen Aphasiesyndrome gegeben mit dazugehörigen Sprachbeispielen: 

  • Die globale Aphasie ist die schwerste Form der Aphasie, bei der alle sprachlichen Fähigkeiten (Sprechen, Verstehen, Lesen und Schreiben) schwer gestört sind. Die Äußerungen fehlen entweder ganz oder sind weitgehend unverständlich. Sie bestehen meist aus sprachlichen Automatismen oder Stereotypien und mühsam hervorgebrachten Einzelwörtern bzw. aus Silben oder Lautfolgen, deren Sinn nicht erkennbar ist.

Sprachbeispiel bei dem ein Patient gebeten wurde, ein Bild zu beschreiben, das einen Vater und mehrere Kinder im Wohnzimmer zeigt:

Herr G.: ...bi, ach so, Bild, ja...äh...d...das...ähm...nee, s’is...äh...viertel vor...nee, viertel nach halb...so, dann...äh...ein...äh...einich...das...das...kpelefon...

Therapeut: Ja. Wo?

Herr G.: Nee...das...der Mann is...

Therapeut: Ja!

Herr G.: ...is Frau und Kinder...

Therapeut: Sie sehen eine Frau? Die sehe ich gar nicht.

Herr G.: Nee...oh,ja...das...äh...is alles...so der Frau...äh sucht...am ob tu...sam...dem ge Mann sucht...nein, das ist ein Kinder, is....äh...Mann nee?

  • Das Leitsymptom der Broca-Aphasie ist die verlangsamte, unflüssige und agrammatische, telegrammstilartige Sprache. Diese Aphasieform äußert sich meist in kurzen Sätzen, in denen die Funktionswörter, Artikel, Konjunktionen, Präpositionen etc. fehlen, die Substantive nicht dekliniert und die Verben nicht konjugiert sind. Solche Patienten sprechen meist mit großer Anstrengung und vielen, langen Pausen, sie haben Mühe Lautproduktionen richtig zu steuern, lassen Laute aus oder produzieren sie an der falschen Stelle.

Sprachbeispiel:

Therapeut: Könnten Sie gestern die Sonne genießen?

Frau N.: ja...Garten...Sohn...Schie...toch...äh...Sohn...und          Schiebertochte...Faul...nein....Faumen fülken....nein...Korb Faumen...Garen...ich Sonne sitzen, dann...hause...Kuchen backen...Sohn gerne Faulmenkuchen

  • Die Wernicke-Aphasie zeichnet sich durch eine flüssige und überschießende Sprache aus mit vielen falsch benutzten Wörtern und vielen lautlich entstellten Wörtern. Die Patienten zeigen auch oftmals eine Tendenz zum Ineinanderschachteln von Wörtern, Satzteilen und Sätzen (Paragrammatismus). Es lässt sich eine überschießend, hektische Redeweise mit vielen Funktionswörtern und nur wenigen Substantiven beobachten, die teilweise nur schwer oder gar nicht zu verstehen ist.

Sprachbeispiel von einem Patienten, der das Bild beschreibt, das auch Herr G. beschreiben sollte:

Herr F.: Ja, ich seh das ja hier wie wir, dass, das stimmt ja nun nicht, aber bevorses hier, das ist ein das hier, we weggeschröders hier das, der vorhin is da von weg, damit ich nu sehen kann, das ist die Tür, sie sie die Tür schließt das mittem Schor, Schorftrecker und sieht dann ähm die früher machen müssen als sch Schapner selber machen müssen, ähm fällt machen die Apparate...

  • Patienten mit einer amnestischen Aphasie haben meist das Problem, dass sie Wörter, auf die es ankommt – sinntragende Wörter wie Substantive, Adjektive, Verben – nicht abrufen können. Das Hauptmerkmal dieser Aphasie ist eine Wortfindungsstörung. Die Betroffenen stocken, wenn sie etwas ganz Bestimmtes sagen wollen, oder sie gebrauchen ein Wort, das nicht ganz dem Beabsichtigten entspricht. Teilweise versuchen die Patienten das fehlende Wort zu umschreiben, sie benutzen Ersatzwörter oder wiederholen ihre eigenen Worte, sie unterbrechen den Satz oder sie weichen auf Redefloskeln aus, wobei die Sprache meist flüssig und gut artikuliert ist.

Sprachbeispiel eines Patienten, der den Namen abgebildeter Objekte angeben soll.

Koffer: Hier haben wir zum Verreisen einen...einen...eine Tasche oder einen To einen Ta einen tsch...einen ähm...Kofo Koffer einen Kofer einen Koffer.

Besen: Und jetzt wollen wir für Sauberkeit...äh da an der Sauberkeit denken und nehmen uns einen...einen scho scho einen...einen...was wollen wir...wollen zu Hause oder im Geschäft wollen wir saubermachen und benutzen dazu einen Sch...einen...einen...einen...wischen und nach dem Wischen kommt das auf...hoch tro ein trocken ein...ja das ist ein Fehlei.

Aphasie in der Logopädie – was tun?

Die Sprache wiederzufinden ist meist ein mühsamer und langwieriger Prozess, der den Betroffenen eine Menge abverlangt. Wir als Team der Logopädie München und Logopädie Tegernsee  (Logopädie Röder) wollen diese Menschen mit einer Aphasie auf ihrem Weg begleiten und ihnen wieder ein Stück mehr Lebensqualität, den erneuten  Zugang zur Kommunikation, ermöglichen.

Dabei geht es nicht darum, die ursprünglichen sprachlichen Fähigkeiten der Betroffenen wieder vollkommen herzustellen; es geht vielmehr darum, bestehende sprachliche bzw. kommunikative Ressourcen der Patienten zu fördern und kommunikationsfördernd einzusetzen. Die Grundlage dafür stellt eine umfassende diagnostische Abklärung dar, bei der sprachliche Defizite und Ressourcen erfasst und beschrieben werden können. Im Anschluss daran können, basierend auf dem individuellen Sprachprofil, Therapiebausteine mit sprachspezifischen Therapiezielen abgeleitet werden. Alle Therapiebausteine ergeben zusammengefasst ein Ziel, das nicht die fehlerlose, unauffällige „normale“ Sprache anpeilt; sondern es heißt:

  • so schnell wie möglich,
  • bei möglichst geringer psychischer Belastung,
  • die bestmögliche Kommunikationsfähigkeit.

Dieses Ziel wird für jeden Patienten individuell abgesteckt. Dabei gilt es herauszufinden: Auf welche Weise lassen sich die noch vorhandenen sprachlichen Fähigkeiten hervorlocken? Wie können diese Fähigkeiten kommunikativ erweitert werden? Wie ermögliche ich meinem Patienten die bestmögliche Kommunikation?

Über den Umgang mit Aphasie

Jemand verstehen heißt, auch sein Schweigen verstehen. Das gilt ganz besonders für Menschen mit einer Aphasie. Selbst wenn sie nichts, nur wenig oder nur Unverständliches sagen können, brauchen sie Gespräche, in denen sie sich mitteilen und kommunikativ öffnen können. Dabei können beispielsweise Gedanken und Gefühle fast wortlos nur durch Augenausdruck, die Stimme oder die Gestik ausgedrückt werden.

Solche Gespräche dürfen nicht ausbleiben, sonst ergibt sich ein Teufelskreis für die Betroffenen: je weniger die Menschen mit einer Aphasie sich aussprechen können, desto einsamer und deprimierter fühlen sie sich, und diese Traurigkeit wirkt sich wiederum auf die Sprache aus; sie schnürt Ihnen die Kehle zu.

Wollen wir solche Gespräche nicht abreißen lassen, so müssen wir unser Gesprächsverhalten den aphasischen Bedingungen anpassen; ihnen Zeit geben, ihnen zuhören und alle ,Kommunikationskanäle’ nutzen, sprachliche sowie nichtsprachliche. 

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